Muss es der Sonntag sein?
Der arbeitsfreie Sonntag ist der einzige Tag in der Woche, der sich wirtschaftlich nicht rechnen muss. Er ist das Symbol dafür, dass Leben mehr ist als Arbeit, dass Gesellschaft mehr bedeutet als Wirtschaft. Der arbeitsfreie Sonntag ermöglicht es, dass Familien, Freundeskreise, Sportgruppen, Gemeinschaften jeglicher Art, gemeinsame freie Zeit erleben können. Ehrenamt, Mannschaftssport, Kultur, gesellschaftliches und politisches Engagement kann sich nur dann entfalten, wenn viele Menschen gleichzeitig frei haben. Aufgrund der Flexibilisierung der Arbeitszeit ist für viele nur noch der Sonntag die Möglichkeit in Gruppen aktiv zu sein. Der Zeittakt der Wirtschaft und die geplante und verplante Zeit der Arbeit hat eine sinnvolle Grenze: den Sonntag!
Das NLöffVZG gibt auch jetzt schon große Freiheiten zur Ladenöffnung. So können Geschäfte an sechs Tagen die Woche 24 Stunden lang öffnen. Unter den vorherrschenden großen Gestaltungsfreiräumen der Ladenöffnung ist es kaum nachvollziehbar, dass die Sonntagsöffnung das Sterben der Innenstädte und Ortschaften aufhalten können soll.
Aktionen wie Moonlight- oder After-Work-Shopping unter der Woche werden kaum genutzt, genau so wenig wie Aktionstage an Samstagen.
Um dem Einzelhandel eine Zukunft zu ermöglichen, bedarf es größerer Konzepte als eine Konzentration auf den verkaufsoffenen Sonntag als einziger „Rettungsanker“. Zumal viele statistische Auswertungen aufzeigen, dass innhabergeführte Geschäfte von verkaufsoffenen Sonntagen kaum profitieren, sondern eher die großen Kaufhäuser und Ketten.
Um die Innenstädte und Ortskerne zu stärken, braucht es jedoch vielschichtige und ausgeklügelte Konzepte, die die Alleinstellungsmerkmale des jeweiligen Ortes herausstellen und den Konsumenten das Gefühl vermitteln, dazu zu gehören. Z.B. wenn sich jemand mit einem Ort identifiziert, dann hat er auch ein Interesse, dass seine Lieblings-Buchhandlung überlebt. Es reicht aber nicht, dass man dort billig Bücher einkaufen kann, das kann man auch im Internet. Hier dreht sich alles um Beratung, Auswahl, ggf. auch Vorlesungen/Buchpräsentationen und Aktionen. So kann man auch Bücher entdecken, die kein Algorithmus vorgeschlagen hätte.
Hier spielt auch die Höhe der Miete, die Ausstattung der Geschäfte, die Ausbildung, Motivation und Qualität der Belegschaft, das Erscheinungsbild des Ortskerns, die Verkehrsanbindung sowie Parkplätze, Spielplätze, Kaffees etc. eine wesentliche Rolle. Eine Stadt bzw. ein Ort muss lebenswert und nicht funktional sein. Die Passanten muss sich wohl und willkommen fühlen. Es muss ein Raum für die Öffentlichkeit sein und nicht ein Investitionsobjekt eines Investors.
Auch gemeinsame Online-shops der Kaufmannschaften, bestenfalls mit regionalen Lieferservice, könnten ein weiterer zielführender Baustein sein. Auf diesem Gebiet gibt es auch schon einige Projekte, die zum Teil vielversprechend sind.
Zudem wäre es auch sinnvoll, mit den Organisationen vor Ort zu kooperieren und gemeinsam nach einer Zukunftsvision zu schauen. Gewerkschaften, Sportvereine, Kirchen, Familien- und Sozialverbände sind bestimmt bereit, einen ernstgemeinten Prozess im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeit zu begleiten. Denn nur als Gemeinschaft können lebendige und lebenswerte Orte geschaffen werden, in denen man lebt, sich wohlfühlt und auch konsumiert.